Die Weinkarte

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Alle, die mich kennen wissen, dass ich gerne ein Restaurant oder Hotel nach der Qualität der Weinkarte aussuche. Es folgt ein oft stundenlanges studieren der Weinkarte vor dem Besuch der Gaststätte. Meist habe ich dann bereits eine Wahl, zumindest eine engere Auswahl getroffen. Damit beschleunige ich natürlich den Prozess der Weinaussuche und Bestellung vor Ort erheblich und ich kann mich schneller dem Wesentlichem, nämlich dem Genuss des Weines widmen. Als Nachteil nehme ich mir natürlich die Chance auf die Empfehlung des Hauses bzw. des / der Weinverantwortlichen zu folgen. Aber was überlege ich mir dabei überhaupt und was ist aus meiner Sicht eine gute Weinkarte?


Wie gross / dick ist die Weinkarte?

Die Anzahl Seiten der Weinkarte ist sicher ein Indiz für Qualität, eine grosse Weinkarte in Seiten gemessen ist immer spannend und verbirgt oft kleine Schätze, die es aufzuspüren gilt. Eine kleine, auch einseitige Karte ist vielleicht einfach, kann durchaus preiswerte und oft überraschend gute Weine gelistet haben. Der Nachteil der grossen Karte ist aber auch klar, man sollte sie vor dem Besuch der Gaststätte studieren, ansonsten ist man überfordert oder braucht viel zu viel Zeit um den passenden Wein auszusuchen, oder man verlässt sich gleich auf den Sommelier.


Wie ist der optische Eindruck der Karte?

Wichtig ist die Gliederung idealerweise in folgender Reihenfolge, Offenweine zuerst, dann Schaum-, Weiss-, Rosé-, Rot- und am Schluss Süssweine. Raritätenabschnitt, Gross- und Kleinflaschen am Schluss der Karten. Innerhalb dieser Gliederung sollte es eine Struktur nach Ländern und darin nach Regionen haben. Die Weine sollten beschrieben sein mit Traubensorten, Jahrgang, Produzent. Eine Bewertung ist nicht notwendig. Sehr hilfreich ist eine Degustationsnotiz, die vom Gastgeber kommt. Dann ist man sicher, dass der Gastgeber die Weine kennt, verkostet und ausgewählt hat!


Ist eine «Handschrift», ein Charakter erkennbar?

Es ist schnell sichtbar wenn ein paar Gebiete besonders hervorgehoben sind. Hier erkennt man die Vorlieben des Besitzers oder des Sommeliers. Lieber eine Karte mit ein paar wenigen Gebieten, als eine Karte mit fast jedem bekanntem Weinland mit jeweils einem Wein, dies ist eher  charakterlos.


Wie viele Länder sind vertreten?

Weniger Länder gleich mehr Qualität. Der Gastgeber konzentriert sich auf Gebiete, in denen er sich auskennt, die er liebt und dem Gast anbieten möchte. Oft sind keine grossen Namen darin vertreten aber grosse positive Überraschungen. Hier ist die Beratung durch den Sommelier gefragt.


Wie sieht es mit der Regionalität aus?

Ein gutes Zeichen ist auch, wenn es aus der Region des Gastgebers viele Weine im Angebot hat. Der Gastgeber setzt sich dann intensiv mit dem lokalen Angebot und den Winzern auseinander. Da wird es sehr viele Trouvaillen haben. Hier ist es sicher angebracht, mit dem Sommelier oder Gastgeber zu sprechen und auf seine Empfehlungen zu hören.


Wie breit ist das Offenwein Angebot?

Wenn ein Angebot von je drei bis vier Weiss- und Rotweinen, dazu einem Schaumwein und einem Süsswein besteht, kann man aus meiner Erfahrung von Qualität im Weinangebot ausgehen. Oft gibt es auch Weinkarten mit einer Auswahl von Weinen, die man Glasweise mit dem Coravin-System bestellen kann (Wein ausschenken ohne die Flasche zu entkorken). Dies sind dann in der Regel Weine, die berühmt sind und eine einzelne Flasche sehr teuer ist. Grundsätzlich ist das aber positiv zu werten, da das Bereitstellen und Ausschenken dieser Weine aufwendig ist und Fachkenntnisse verlangt. Man kann davon ausgehen, dass hier Kompetenz auf der Weinkarte und somit auch beim Sommelier vorhanden ist.


Hat es ältere Jahrgänge oder nur aktuelle?

Ein guter Indikator für eine gutes Weinangebot ist, wenn es von einem Wein mehrere Jahrgänge oder generell auch ältere Weine hat. Dann weiss ich jeweils, dass der Sommelier oder generell der Gastgeber auch Geduld und Kapital hat, die Weine einzulagern. Oft sind dann diese Weine auch etwas teurer, da der Gastgeber Kapital binden muss. Grossartig finde ich, wenn es eine Raritätenkarte oder einen Abschnitt mit Raritäten hat. Dieses Angebot ist nicht immer teurer. Hier sollte man unbedingt mit dem Sommelier sprechen, da es neben den raren Weinen auch ältere Weine auf der Karte haben kann die über dem Zenit sind. Der Sommelier wird dann erklären, wann er welche Weine zum letzten Mal kosten konnte und wie sie waren.


Wie sind die Weine kalkuliert

Ich habe mir persönliche Grenzen bei den Preisen gesetzt, dies ist allerdings nicht ein Frankenbetrag der nach oben begrenzt ist, wie vielleicht viele vermuten, sondern meine Grenzen haben einen direkten Zusammenhang, wie die Weine kalkuliert sind. Natürlich muss man da ein wenig die Preise am Markt kennen, da hilft einem aber das Internet und einschlägige Apps definitiv. Meine beiden Faustregeln

  • ein absoluter Aufschlag von ca. 30 bis 50 Franken ist für mich immer in Ordnung und macht vor allem die teureren Weine im Angebot sehr attraktiv
  • Bei einem Prozentaufschlag ist für mich eine Verdoppelung des Marktpreises noch ok, allerdings nicht mehr bei hochpreisigen Weinen

Oft trifft man eine Kombination von absoluten Aufschlägen und Prozentaufschlägen an. Dies vor allem aus zwei Gründen

  • Um hochpreisige Weine attraktiv zu halten
  • Um bei günstigeren Weinen eine hohe Marge generieren zu können. Hier ist ein Aufschlag von 300 bis 500 Prozent meinerseits oft beobachtet (Einkauf ca. CHF 10-15, auf der Karte CHF 40 bis 70). Das ist ok, für mich aber weniger attraktiv

Wenn man Weinkarten, wie ich, vor dem Gang ins Restaurant studiert, entdeckt man immer wieder kleine Wunder wie ein Beispiel, dass ich im Sommer 2019 erleben durfte und bei dem ich natürlich zugeschlagen hatte: einen Chateau Ducru-Beaucaillou 2009 für CHF 165 auf der Karte, im Handel (wenn erhältlich ca. CHF 350). Dies erklärt sich damit, dass der Wein eine Wertsteigerung erfuhr (sehr guter Jahrgang und sehr guten Bewertungen von Weinkritikern) und dass der Gastgeber die Wertsteigerung nicht dem Gast überwälzt hat!

Meine Diploma-Arbeit zum Weinakademiker behandelt das Thema Weinkarten ausführlich.
Hier geht es zu meiner Diploma-Arbeit.

Die Sommelière, der Sommelier

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Hier gibt es ein paar Fakten die einem bewusst sein sollten:

  • Sommelière bzw. Sommelier ist keine geschützte Berufsbezeichnung, jeder kann sich so nennen!
  • Bitte nicht zweifeln, wenn die Weinkompetenz in Form eines sehr jungen Menschen (25-30 Jahre) am Tisch steht! Du kannst davon ausgehen, dass diese Menschen einerseits top ausgebildet sind und auf der anderen Seite oft grosse sensorische Fähigkeiten aufweisen!
  • Die Ausbildungsmöglichkeiten für einen Sommelière / Sommelier sind vielfältig. Es gibt verschiedene Lehrgänge, die vom Verband organisiert sind. Eine gute Weinkompetenz erlangen viele Profis über die Hotelfachschule und vertiefen danach ihr Wissen bis und mit z.B. zum Weinakademiker.


Was macht meines Erachtens eine gute Sommelière / einen guten Sommelier aus, unabhängig der Ausbildung

  • In erster Linie muss er gut fragen und zu hören können um passende Vorschläge zu machen
  • Er sollte nie besserwisserisch wirken, der Gast hat immer Recht (auch wenn er sich täuscht) und der Gast hat manchmal aus Expertensicht recht komische Fragen. Es ist also Zurückhaltung gefragt, der Sommelier muss dem Gast nicht beweisen was er weiss, der Gast geht davon aus, dass der Sommelier alles weiss
  • Er muss die Weine im Angebot kennen, idealerweise auch Geschichten zu den Weinen im Angebot. Ein Wein mit einer Geschichte verkauft sich viel besser und schmeckt dem Gast immer
  • Diskussion über Weine und Gebiete sollen aber möglich sein, vor allem wenn der Gast danach fragt, der Sommelier muss merken, wie viel der Gast überhaupt wissen will. Der Gast ist schnell überfordert und bejaht einfach alles
  • Ein guter Sommelier kann empfehlen, welcher Wein zum Essen passt, da dies aber sehr individuell ist, sollte er vor allem in der Lage sein, auf schwierige Kombinationen (Speisen und Wein) aufmerksam zu machen
  • Der Gast kann oft nicht differenzieren oder beschreiben zwischen Fehler oder warum ihm der Wein nicht passt. Hier sollte der gute Sommelier nicht mit dem Gast diskutieren und den Wein einfach zurücknehmen.


Generell ist es so, das berühmte und grosse Restaurants / Hotels auch auf eine Weinkompetenz im Haus angewiesen sind. Dabei geht es nicht nur um die Gästebewirtung, sondern auch um die Bewirtschaftung von Weinkeller, Einkauf und Kontakt mit Weinhändlern und Winzern und der Gestaltung und Aktualisierung der Weinkarte.

Mehr zum Thema in Bälde. Meine Diploma-Arbeit zum Weinakademiker behandelt das Thema "Weinkompetenz im Restaurant"  ausführlich.

Dekantieren vs. Karaffieren

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Ein interessantes Thema mit dem wir alle im Restaurant immer wieder konfrontiert werden sind die Begriffe Dekantieren und Karaffieren.

Auch wenn weitläufig meist nur von Dekantieren gesprochen wird solltest Du den Unterschied kennen. Die Zielsetzung ist eine völlig andere, und das Vorgehen ist nicht gleich


Dekantieren

Davon spricht man im Normalfall bei Weinen, die schon älter sind und bei denen sich über die Jahre der Flaschenreife ein deutliches Depot gebildet hat. Wenn man dieses nicht entfernt, kann es im Glas zu unerwünschten Trübungen kommen, die sich auch auf das Mundgefühl negativ auswirken. Das Ziel ist also das Entfernen von unerwünschten Trübstoffen, dem Depot.

Beim Dekantieren muss die Flasche sehr sorgfältig behandelt werden, d.h. schütteln ist nicht angesagt. Vorsichtig ist der Korken zu ziehen, die Flasche sollte dabei ruhend in einem Korb leicht aufrecht liegen. Mit einer Lichtquelle (oft wird eine Kerze verwendet) wird der Wein dann in eine Karaffe um geleert und mit der Lichtquelle darauf geachtet, dass das Depot in Flasche zurückbleibt. Die Karaffe sollte wenig Oberfläche zulassen, alte Weine können mit zu viel Luftkontakt schnell ungeniessbar werden, darum sollte der Wein dann auch sehr zeitnah genossen werden.


Karaffieren

Karaffieren verfolgt ein völliges anderes Ziel. Jungen Weinen mit Luft mehr Geschmack und Zugänglichkeit zu ermöglichen. Hier bei kann eine Karaffe sehr schwungvoll gestaltet sein und einen sehr langen (Schwanenhals) Hals haben. Damit wird bezweckt, dass der Wein beim schwungvollen um leeren mit sehr viel Luft in Kontakt kommt und sich so der Geschmack entwickeln kann. Auch muss der Wein nicht sofort genossen werden, sondern kann auch in der Karaffe noch einige Stunden warten. 


Fazit

Einen Wein zu dekantieren im Restaurant ergibt sich fast von selber. Der Sommelier wird Dich unter Umständen nicht mal Fragen, da es bei dem von Dir bestellten Wein gar nicht anders geht. Ob Du aber einen Wein karaffieren willst, hängt auch ein wenig von Dir ab. Die Unterschiede sind oft sehr klein, der Wein erhält im Glas ja auch Luft. Wenn Du gefragt wirst, ob Du den Wein karaffieren lassen willst, kannst Du eigentlich immer ja sagen, schlechter wird das Ergebnis nie. Wichtig ist nur, dass Du den Unterschied kennst, d.h. wenn Dich ein Sommelier fragt, ob Du den von Dir bestellten jungen Wein dekantieren willst, kannst Du schmunzeln (es heisst ja karaffieren) und ja sagen.