Weine ohne Alkohol

Das Geniessen von Weinen hat natürlich auch so seine Nebenseiten, nicht immer werden die Weine konsequent und professionell gespuckt bei Verkostungen, sondern eben auch getrunken und genossen. Dass dies nicht immer gesund ist, versteht sich von selbst. Dabei habe ich mich immer wieder mal gefragt, wie wäre es mit Wein ohne Alkohol? Geht das überhaupt, Wein ohne Alkohol? Wie ist der technische Prozess? Gibt es einen Markt? Spätestens, als ich nach einem meiner Newsletter nach Weinen ohne Alkohol gefragt wurde und keine zufriedenstellende Antwort wusste, wurde ich neugierig. Ich hatte das Thema immer vor mir hergeschoben und nur darüber gelesen. Nun habe ich mich vor kurzem entschlossen, ein paar alkoholfreie Weine zu kaufen und zu verkosten. 

Wein und Alkohol 

Zuerst ein paar Basics. Der Alkohol im Wein entsteht aus der Gärung. Dabei wird der im Most vorhandene Zucker (bei uns in der Schweiz gemessen in Öchsle) mittels natürlicher Hefe oder Reinzuchthefen vergoren. Es entsteht CO2 und aus dem Zucker wird der Alkohol gebildet. Der potentiell mögliche Alkoholgehalt kann dabei relativ gut ausgerechnet werden, wenn der Zuckergehalt im Most bekannt ist. Oft wird bewusst nicht der ganze Zucker vergoren, daraus resultieren Weine mit Restzucker mit lieblichem bis sehr süßem Charakter. Vor allem in Deutschland wird dies häufig praktiziert, um den säurebetonten Rieslingen mit dem Restzucker entgegenzuwirken und so dem Wein mehr Balance zu geben. Interessant ist auch der Umstand, dass die verschiedenen Hefen bei der Vergärung den Alkohol unterschiedlich gut vertragen. So können natürliche Hefen z.B. bei der sogenannten Spontanvergärung bereits bei 4 Volumenprozent ihre Aktivität einstellen. Dann wird oft mit den gezüchteten Hefen nachgeholfen. Aber auch diese geben bei 16 Volumenprozent auf, so müssen spezielle Hefen ran, die es ermöglichen, dass es durchgegorene Weine mit bis zu 17 Prozent Alkohol gibt. Alkohol ist ein wichtiges Strukturelement neben den Aromen, dem Restzucker, den Gerbstoffen und der Säure. Das Ziel ist, dass all diese Elemente im Einklang sind um einen ausgewogenen, schön balancierten Wein zu erreichen. Der Alkohol ist auch sehr wichtig als Geschmacksträger im Wein. Von daher spricht nun eigentlich alles gegen Wein ohne Alkohol? 

Wein vom Alkohol befreien

Zusammenfassend sehr interessant finde ich folgenden Artikel online aus der Zeitschrift Falstaff (Peter Moser, 6. März 2018, https://www.falstaff.ch/nd/alkoholfreier-wein-lass-es-sein-1/) über die Herstellung von alkoholfreien Weinen: «Vereinfacht gesagt werden die Produkte hergestellt, indem einem normal erzeugten Wein in einem weiteren Arbeitsdurchgang der Alkohol entzogen wird. Dafür gibt es zahlreiche technische Verfahren von Umkehrosmose bis Dünnschichtverdampfung, die allesamt den Geschmack verfälschen und Aromen zerstören – der Durchbruch kam erst mit der Einführung einer Methode, bei der mittels Vakuum entalkoholisiert wird. Unter Vakuum beginnt der Alkohol bereits bei einer Temperatur von 27°C zu verdampfen statt bei 80°C, so können auch flüchtige Aromen erhalten werden. Mit dieser von Dr. Carl Jung bereits 1908 eingeführten Technik können Weine sogar zu 100 Prozent von Alkohol befreit werden.» 

Das tönt für mich sehr nachvollziehbar,  wenn die Temperatur im Bereich der Gärtemperaturen liegen, werden die Aromen nicht beeinträchtigt. Weiter ist in der gleichen Passage zu lesen «Der Alkohol dient dem Wein als Aromen-Transporteur und Katalysator – fällt dieser weg, ist Schluss mit jenen feinen Nuancen, die den Kenner spielend einen Cabernet Sauvignon von einem Merlot unterscheiden lassen». Auffallend ist, dass die Deklarationen auf der Weinflasche anders ist als beim Wein mit Alkohol. Die Weingesetze für Wein ohne Alkohol greifen somit nicht, da dies im engeren Sinn gar keine Weine sind. Ein Getränk, zumindest in Deutschland, darf mit weniger als 0.5 Volumenprozent als frei von Alkohol deklariert werden. Mit dem Preis wird ein weiterer Aspekt thematisiert. Oft sind die Preise für Weine ohne Alkohol eher tief. Ich selber habe 9 Weine für insgesamt CHF 110 gekauft. Mit der Enthalkolisierung müssen die Weine einen zusätzlichen Arbeitsschritt über sich ergehen lassen, was das Getränk eigentlich verteuern müsste. Falstaff vermutet, dass sehr günstige Basisweine für die Produktion herangezogen werden. Dies erhöht natürlich nicht die Akzeptanz dieser «Weinkategorie». Ich bin gespannt, ob es künftig auch mal entalkoholisierte Weine im Premium Segment geben wird. Langer Rede kurzer Sinn. Ich habe den Test gemacht und beschreibe nachfolgend ein paar Weine.

Die probierten Weine

Ein Wort zur Bewertung. Ich habe gelernt, Weine mit Alkohol zu bewerten. Die Komponente Alkohol gilt als wichtiges Strukturelement im Wein, einerseits als ausgleichende und andererseits als aromatragende Komponente. Weiter ist der Wein ein Element für Körper und Mundgefühl, kann unterstützend oder im schlechteren Fall störend, sprich brandig wirken. Von daher macht es für mich keinen Sinn, Weine ohne Alkohol mit den Kriterien für den Wein mit Alkohol zu messen. Ich gebe den probierten Weinen folgende Bewertung:

1.       Ein Glas genügt

2.       kleiner Spass

3.       grosser Spass

4.       bitte noch ein Glas


Kolonne Null, Riesling 2020 

Zuerst habe ich einen Riesling probiert. Da erhoffte ich mir, die Traubensorte zu erkennen. Der Wein bzw. die Trauben sind aus der Mosel, rund um Bernkastel. Die Lage und die Rebsorten sind also bekannt. Produziert wurde dann der Wein von einer Firma aus Berlin mit dem Namen «Kolonne Null». Sowohl in der Nase als auch im Gaumen ist der Riesling durchaus erkennbar. Ob ich das auch blind erkennen würde, lass ich offen. Der Wein ist säurebetont aber sehr kurz im Abgang. Der Geschmacksträger Alkohol fehlt, die Frische, Spritzigkeit und durchaus typische Aromatik ist aber da. Unter dem Strich sehr überraschend! Ich behaupte sogar, wenn ich den Wein in einer Blindverkostung präsentiere wird er zwar keine Top Noten erhalten, dass er aber keinen Alkohol hat wird vermutlich von den wenigsten explizit erkannt
3 = grosser Spass

Kolonne Null, Cuvée Rouge No 2 

Der zweite Wein ist vom gleichen Hersteller, eine rote Cuvée. Hier sind die Traubensorten nicht aufgeführt und die Trauben kommen aus Spanien und der Wein wurde sogar im Barrique ausgebaut. Vielmehr ist nicht ersichtlich auf der Etikette. Der Rotweincuvée hat eine erstaunliche Aromatik, weiche Tannine, etwas Vanillenoten vom Holz und auch er ist sehr säurebetont. Wobei der Tropfen schon etwas mehr an einen Traubensaft erinnert. Diesen Wein schätze ich zwar etwas besser ein als der Riesling, das etwas fehlt ist aber viel offensichtlicher!
2 = kleiner Spass


Kolonne Null Cuvée Burgunder *Alkoholfrei*

Sehr fruchtig, milde Säure, durchaus typische Aromatik. Der fehlende Alkohol stört überhaupt nicht
3 = grosser Spass

 

Oddbird Low intervention Organic white No.1 *Alkoholfrei*

Garganega & Vespaiola

Intensive Zirtrusfrüchte, Apfel, knackige Säure, schöne Länge, das interessante bei dieser Verkostung war, dass ich den Wein ohne weiteren Kommentar unserem Besuch eingeschenkt habe. Der Besuch ist nicht auf die Idee gekommen, dass etwas nicht stimmt bzw. dass der Wein alkoholfrei sein könnte. Auch nach Auflösung und Nachfrage, ob ein «richtiger» Wein aufgetischt werden soll, wollte der Besuch beim Odd Bird bleiben!   
4 = bitte noch ein Glas

 

Sangre de Toro Blanco 0,0° *Alkoholfrei*

Als trockener Traubensaft top, als Wein schwierig.

Die Aromatik ist intensiv und sehr blumig und traubig, was für den Sortencharakter spricht. Der Tropfen ist lang und hat eine erfrischende Säure, allerdings fehlt die Stützmauer Alkohol deutlich, was einem Weintrinker diesen Saft schnell langweilig machen kann
1 = ein Glas genügt

 

Kolonne Null Cuvée Blanc no 1 Prickelnd *Alkoholfrei*

Mein erster alkoholfreier Schaumwein! Mittlere Intensität, Aromen von Pflaumen, Apfel, Pfirsich. Intensive geschmeidige Perlage. Sehr Säurebetont. Eher kurz in der Länge!
2 = kleiner Spass

 

Oddbird Low intervention Organic red No.1 *Alkoholfrei*

Überraschend, sehr intensiv in der Nase mit deutlichen Barriquenoten, etwas Rauch und viel Frucht nach Kirschen und Himbeeren. Sehr weiche und gut eingebundene Tannine die dem Wein trotz des fehlenden Alkohols lange tragen. Der Wein wirkt sehr frisch. Mit den Augen alkoholfrei sehr gelungen und die Rebsorten, vor allem PN, aber auch Merlot sind erkennbar
4 = bitte noch ein Glas

Oddbird Spumante
Schwierig, in der Nase unpräzise Aromen mit einem säuerlichen, eher unangenehmen Geschmack. Im Gaumen erstmals viel feiner Schaum, dann grüne Äpfel und eher einfache Aromatik, frisch wirkende Säure und nach hinten kommt nichts mehr.
1 = ein Glas genügt

 

Fazit aus meiner Sicht 

Wein ohne Alkohol ist eine eigene Kategorie und sollte nicht mit einem Wein mit Alkohol verglichen werden. Oder vergleichen wir Traubensaft mit Wein? Schon nur die Analyse ist schwierig, da jedes herkömmliche Bewertungsschema davon ausgeht, dass der Wein Alkohol hat. Fest steht, dass erst bei alkoholfreien Weinen erkannt wird, welche wichtige Rolle der Alkohol im Wein spielt. Er stützt den Wein, er verstärkt die Aromen, er macht ihn ausgewogen und er gibt dem Wein Länge. Ein Wein ohne Alkohol kann aber sehr fruchtig sein, er kann Tannin haben, die Säure wirkt viel betonter und der Wein erinnert oft an einen Traubensaft, aber auch an Wein. Und der ganz große Vorteil, man kann unbedenklich viel davon trinken, nicht nur wegen dem fehlenden Alkohol, auch weil diese Getränke absolut überschaubare Mengen von Zucker und Kohlenhydraten beinhalten.